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Deutscher Völkermord-Prozess: Lebenslange Haft für ruandischen Ex-Bürgermeister

Das OLG Frankfurt hat den ruandischen Staatsbürger Onesphore R. wegen Mittäterschaft am Völkermord in Ruanda im Jahr 1994 schuldig gesprochen und ihn zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt; gleichzeitig stellte es die besondere Schwere der Schuld fest.

Der 58-jährige Angeklagte war bereits am 18.02.2014 nach rund dreijähriger Hauptverhandlung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt worden. In diesem ersten Urteil erkannte der damals zuständige 5. Strafsenat des OLG Frankfurt nach umfangreicher Beweisaufnahme auf Beihilfe zum Völkermord wegen der Beteiligung des Angeklagten am sog. „Kirchenmassaker von Kiziguro“.

Auf dem Kirchengelände hatten im Jahr 1994 während des Genozids in Ruanda mindestens 450 Menschen – wahrscheinlich aber weitaus mehr – vor den rassistischen Gewalttaten gegen die Bevölkerungsminderheit der Tutsi Schutz gesucht. Bis zum 11.04.1994 rotteten sich um das Gelände Hunderte von Soldaten, Gendarmen, Gemeindepolizisten sowie Angehörige von Milizen und Zivilisten, die mit Macheten, Beilen, Hacken und ähnlichem Werkzeug bewaffnet waren, in der Absicht zusammen, das Kirchengelände anzugreifen. Gemeinsam mit anderen Autoritätspersonen gab der Angeklagte in seiner Funktion als Bürgermeister der ruandischen Gemeinde Muvumba den Befehl zum Angriff. Daraufhin töteten die Angreifer die allermeisten der auf dem Kirchengelände befindlichen Menschen überwiegend mit den mitgebrachten Waffen auf grausamste Weise. Es kam auch zu Plünderungen und Vergewaltigungen. Während des Massakers fuhr der Angeklagte davon und sorgte dafür, dass einige Zeit später weitere mit Macheten, Keulen und Ähnlichem ausgestattete Hutu am Kirchengelände erschienen, um sich am Töten zu beteiligen. Zeitweilig überwachte der Angeklagte den Transport der Leichen zu einer außerhalb gelegenen Grube. Zudem beteiligte er sich an der Organisation und Überwachung der Angreifer, die das Kirchengelände umzingelten, um ein Entweichen von Tutsi-Flüchtlingen zu verhindern, und forderte sie auf, ihr Tun zu beenden, bevor gegnerische Truppen das Gelände erreichen würden.
Gegen das Urteil vom 18.02.2014 legten sowohl der Generalbundesanwalt und die Nebenkläger als auch der Angeklagte Revision zum BGH ein. Dieser verwarf das Rechtsmittel des Angeklagten. Im Hinblick auf die Revision der Anklage und der Nebenkläger bestätigte er zwar die Feststellungen des OLG Frankfurt zum objektiven Tatgeschehen, hob das Urteil jedoch insoweit teilweise auf, als der Angeklagte lediglich wegen Beihilfe verurteilt worden war. In diesem Umfang verwies der BGH die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG Frankfurt zurück.
Zur Begründung führte der BGH aus, das Oberlandesgericht sei von einem zu engen Verständnis der (Mit-)Täterschaft ausgegangen. Das Verhalten des Angeklagten erfülle vielmehr die objektiven Voraussetzungen einer unmittelbaren Mittäterschaft, selbst wenn nicht festgestellt werden konnte, dass er eigenhändig Tötungshandlungen vorgenommen habe. Allerdings habe das Oberlandesgericht bezüglich des subjektiven Tatbestandes neue Feststellungen zu treffen. Es müsse feststellen, ob der Angeklagte mit Völkermordabsicht, d.h. mit dem zielgerichteten Wollen der Zerstörung der Tutsi, gehandelt habe.

Das OLG Frankfurt hat den Angeklagten wegen Mittäterschaft an dem Kirchenmassaker in Kiziguro schuldig gesprochen.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Angeklagte – der weiterhin abgestritten hat, überhaupt vor Ort gewesen zu sein – wissentlich und willentlich das Massaker mit den anderen Autoritäten vorbereitet, organisiert, befehligt und ausgeführt. Dabei habe er wesentliche Tatbeiträge geleistet und den ihn unterstellten Angreifern aufgrund der ihm als Bürgermeister zukommenden Autorität Legitimität verliehen. Der Angeklagte habe nicht nur neben den weiteren Befehlshabern gestanden, sondern auch versucht, das Vorgehen zu beschleunigen und zum Ende zu bringen, und zwar selbst dann noch, als er selbst durch die anrückenden gegnerischen Truppen in Gefahr gewesen sei.
Der Angeklagte habe auch die für den Tatbestand des Völkermordes in subjektiver Hinsicht erforderliche Zerstörungsabsicht gehabt. Selbst wenn ihm ansonsten die Vernichtung der Tutsi kein besonderes eigenes Anliegen gewesen sei, sei es ihm während des Massakers am 11.04.1994 gerade darauf angekommen, sämtliche Tutsi, die auf dem Kirchengelände Schutz gesucht hatten, auf grausamste Weise töten zu lassen.
Die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten folge aus der Vielzahl der Opfer und dem Ausmaß an Leid und Pein, das den Getöteten über einen vielen Stunden umfassenden Zeitraum zugefügt wurde.

Der Angeklagte befinde sich seit Juli 2010 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Das OLG Frankfurt hat die Fortdauer dieser Untersuchungshaft angeordnet.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Angeklagte und die Verteidigung können (erneut) Revision einlegen, über die der BGH zu entscheiden hat.

Vorinstanzen
OLG Frankfurt, Urt. v. 18.02.2014 – 5 – 3 StE 4/10 – 4 – 3/10
BGH, Urt. v. 21.05.2015 – 3 StR 575/14

Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a. M. v. 29.12.2015

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