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Langjährige Haftstrafen wegen des Vertriebs von Restaurantkassen mit Manipulationsfunktion

Das LG Osnabrück hat zwei Angeklagte wegen des Vorwurfs der gewerbsmäßigen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zur Fälschung technischer Aufzeichnungen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sieben Jahren und sechs Monaten sowie drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Nach umfangreicher Beweisaufnahme über fast neun Monate gelangte das Landgericht zur Überzeugung, dass die Angeklagten über ein Unternehmen in Gelsenkirchen über längere Zeit meist chinesische Restaurants in Deutschland und dem europäischen Ausland mit Kassensystemen beliefert hatten, die eine gezielte Manipulation der erwirtschafteten Umsätze ermöglichten. Dazu wurde nach Überzeugung des Landgerichts in den Kassen eine spezielle Programmdatei versteckt installiert, mit deren Hilfe die über den Tag eingegebenen Umsätze nachträglich verringert werden konnten. Dazu mussten die Restaurantbetreiber lediglich mittels eines Codes oder eines speziellen USB-Sticks den Manipulationsvorgang auslösen. Nach erfolgter Manipulation löschte nach den Feststellungen des Landgerichts das System die zu löschenden Datensätze rückstandslos und passte die verbliebenen Umsatzdaten entsprechend an. Dadurch war im Ergebnis in den Kassendaten selbst fast kein Hinweis mehr auf die Manipulation erkennbar.

Konkreter Gegenstand der Verurteilung waren dabei acht Taten. In allen diesen Fällen war nach Überzeugung des Landgerichts das Kassensystem der Angeklagten an Restaurantbetreiber mit Standorten in Osnabrück, Neuenhaus, Meppen, Papenburg, Cloppenburg, Lohne (Oldenburg), Wardenburg, Wilhelmshaven und Adendorf geliefert worden. Allein in diesen Fällen gelang es den betroffenen Restaurantbetreibern, mittels der gelieferten Kassensysteme im Zeitraum 2012 bis 2017/18 rund 6 Mio. Euro Ertrags- und Umsatzsteuern zu hinterziehen. Ausweislich der sichergestellten Kundendaten nutzten darüber hinaus allerdings möglicherweise mehrere tausend Restaurants in Deutschland und Europa das Kassensystem der Angeklagten. Wie das Landgericht weiter erläuterte, könnte das allein in Deutschland bei grob überschlägiger Berechnung einen theoretisch denkbaren Steuerschaden von bis zu einer Mrd. Euro bedeuten. Diese Frage war aber nicht Gegenstand des abgeschlossenen Verfahrens.

Die Hauptverantwortung für die Taten schrieb das Landgericht in seiner Urteilsbegründung dem älteren der beiden Angeklagten zu. Der jetzt 59 Jahre alte Mann habe sich nach seinen Angaben selbst das Programmieren beigebracht und die Manipulationssoftware entwickelt. Er sei auch Geschäftsführer des Vertriebsunternehmens mit Sitz in Gelsenkirchen gewesen und habe dieses aufgebaut. Sein Bruder, der zweite, heute 57 Jahre alte Angeklagte habe das Unternehmen seit dem Jahr 2016 im Kundenservice und im Vertrieb unterstützt. Die Weiterentwicklung der Software habe aber stets allein der 59-Jährige verantwortet.

Rechtlich bewertete das Landgericht das Verhalten der Angeklagten als gewerbsmäßige Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zur Fälschung technischer Aufzeichnungen. Hierfür war in den Augen des Landgerichts gegen beide Angeklagten eine Freiheitsstrafe zu verhängen. In der mündlichen Urteilsbegründung verwies das Landgericht zur Begründung der Höhe der verhängten Strafen auf den hohen Professionalitätsgrad des Vorgehens der Angeklagten und die darin zum Ausdruck kommende erhebliche kriminelle Energie. So habe etwa der Hauptangeklagte für das Kassensystem extra eine Dokumentation entwickelt, die den Finanzbehörden dessen ordnungsgemäße Funktion beweisen sollte. Zudem seien die Manipulationen so geschickt durchgeführt worden, dass sie bei Betriebsprüfungen kaum zu erkennen gewesen seien. Das unterschiedliche Strafmaß für die beiden Angeklagten begründete das Landgericht damit, dass der Hauptangeklagte eindeutig die Führungsrolle innegehabt habe. Zudem sei bei ihm ein Tatzeitraum von 2012 bis 2018 und damit ein deutlich höherer Steuerschaden zugrunde zu legen. Der Mitangeklagte sei erst seit 2016 in vorwerfbarer Weise am Vertrieb des Kassensystems beteiligt gewesen. Auch habe er zwar eine wesentliche, aber nicht vergleichbar zentrale Rolle in dem Unternehmen gespielt wie sein älterer Bruder.

Aufgedeckt werden konnte die Funktionsweise des Kassensystems zum Teil überhaupt erst mithilfe des Hauptangeklagten. Er habe im Ermittlungsverfahren den Behörden gezeigt, wie das Manipulationsprogramm der Kassen zu öffnen war und wie es funktionierte. Zudem habe er Hinweise gegeben, wie sich Umsatzmanipulationen in den Restaurants trotz des sehr professionell gestalteten Programms jedenfalls teilweise noch nachweisen ließen. Auf diese Weise konnten Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft dann die Taten in den einzelnen Restaurants feststellen. In der Beweisaufnahme hatte außerdem zumindest eine Restaurantbetreiberin, die das System genutzt hatten, eine Manipulation der Umsätze eingeräumt. Weiter belastet wurden die Angeklagten in den Augen u.a. durch die Ergebnisse einer Durchsuchung in dem Gelsenkirchener Vertriebsunternehmen und die Erkenntnisse aus einer Telefonüberwachung.

Abschließend machte das Landgericht deutlich, dass aus ihrer Sicht auch der Gesetzgeber gefordert sei, die technischen Anforderungen an Kassensysteme zu erhöhen, um Manipulationen jedenfalls stärker als bisher zu erschweren.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Revision zum BGH angegriffen werden. Die beiden Angeklagten befinden sich weiter in Untersuchungshaft. Dem jüngeren Angeklagten hat das Landgericht allerdings die Möglichkeit eingeräumt, vorläufig gegen Kaution freizukommen.

Pressemitteilung des LG Osnabrück Nr. 78/2019

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